02. Dezember

Auf den Spuren von Aby Warburg

Bei ihrem Regionaltreffen in Hamburg besuchten Altbirklehofer:innen am 2. Dezember das Warburg-Haus. Altschüler Dr. Benjamin Fellmann gab ihnen eine spannende Einführung in Leben, Werk und die Sammlung des berühmten Kunsthistorikers Aby Warburg. Altschülerin Nina Virubova berichtet:   

 „Mit dem ersten Schnee in Hamburg eröffnete uns Altschüler Dr. Benjamin Fellmann (Abiturjahrgang 2005) als wissenschaftlicher Koordinator des Warburg-Hauses die Türen in der Heilwigstraße 116 . Für rund zwei Stunden entführte er uns nicht nur in die einzigartige Geschichte der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg, sondern auch in die beeindruckende Architektur des Gebäudes und vor allem in die wegbereitende Arbeit Aby Warburgs.

Aby Warburg, 1866 als erster Sohn einer traditionsreichen jüdischen Bankiersfamilie in Hamburg geboren, bietet mit 13 Jahren seinem jüngeren Bruder einen legendären Tausch an: Er überlässt ihm das Erstgeborenrecht an der Führung der Bank und bekommt im Gegenzug zeitlebens alle gewünschten Buchankäufe finanziert. Aus diesem Handel entstand die Warburg-Bibliothek, die 1933 mit mehr als 60.000 Büchern nach London in Sicherheit gebracht wird und noch heute als „Warburg Institute“ fortbesteht.

Befreit von familiären Verpflichtungen studiert Aby Warburg Kunstgeschichte und widmet sich dem Einfluss der Antike auf die Neuzeit. Er wendet sich schon früh von der damals verbreiteten Genre- und Zeitzuordnung von Kunst ab und untersucht die Wechselwirkungen von Bildern aus verschiedenen Epochen und kulturellen Kontexten. Er betrachtet Kunstwerke als Speicher von Erfahrungen und Emotionen, die über Jahrhunderte und unterschiedliche Kulturräume hinweg die internationale Kommunikation bestimmen.

Sein »Bilderatlas Mnemosyne« (nach der griechischen Göttin der Erinnerung) zählt bis heute zu den weltweit bedeutendsten kunsthistorischen Forschungsprojekten. Hierbei ordnete Aby Warburg auf über 60 schwarzen Tafeln fotografische Reproduktionen von Kunstwerken aus dem Nahen Osten, der europäischen Antike und der Renaissance neben zeitgenössischen Zeitungsausschnitten und Werbeanzeigen an und überschritt damit die damaligen Fachgrenzen zwischen Kunstgeschichte, Philosophie und Anthropologie.

Durch die Erzählungen von Benjamin erfuhren wir aber auch, dass Aby Warburg eine große Affinität zu moderner Technik hatte. So erfand er für seine Bibliothek ein ausgeklügeltes System aus zwei Bücherfahrstühlen und 28 Telefonen, mit denen die Bibliotheksbesucher sich die gewünschten Exemplare von den Angestellten des Hauses liefern lassen konnten. Dabei waren die Bücher nicht alphabetisch oder chronologisch geordnet, sondern nach dem – ebenfalls von ihm entwickelten – Prinzip der guten Nachbarschaft: Wer ein Buch bestellte, bekam weitere Bücher mitgeliefert, die ihn wahrscheinlich auch interessieren würden.

Genauso spannend war die Geschichte des Hauses in der Heilwigstraße 116, die Benjamin gekonnt zu erzählen wusste. Das Gebäude wird 1925 – 26 nach Entwürfen von Gerhard Langmaack unter Mitwirkung von Fritz Schumacher, viele Jahre lang Hamburgs Oberbaudirektor, errichtet. In Anlehnung an die tempelartige Architektur vieler Bankhäuser jener Zeit wird die Fassade des Hauses von vier säulenähnlichen Vorsprüngen geziert, zwischen denen die Buchstaben K – B – W (Kulturwissenschaftliche Bibliothek Warburg) gesetzt werden. Am Eingang stehen zwei Lichtstele, die „Leuchtfeuer der Aufklärung“ darstellen, über der Tür zum Eingangsfoyer wird in griechischen Buchstaben das Wort „Mnemosyne“ eingelassen.

Das Herzstück des Warburg-Hauses aber war und ist der Lesesaal, dessen elliptisches Oberlicht ein von Aby Warburg absichtsvoll platziertes Symbol darstellt. Es sollte – in Anlehnung an die kosmologische Freiheitsidee der Renaissance – die Freiheit wissenschaftlicher Forschung zum Ausdruck zu bringen. Darüber hinaus dient die Ellipse für Aby Warburg als Energieform, in der die Spannung zwischen den Gegensätzen präsent gehalten wird.

Im Anschluss an die Führung traf man sich zum gemütlichen Ausklang im Restaurant „Tiefenthal“. Bei leckeren Gerichten tauschten wir viele spannende Geschichten aus unserer Zeit am Birklehof aus und schmiedeten schon Pläne für unser nächstes Regionaltreffen im Jahr 2024.

Lieber Benjamin, vielen Dank für diese großartige Führung, die kleinen und großen Geschichten, Deine mitreißenden Erläuterungen und für Deine Gastfreundschaft!“

Fotos & Text: Nino Virubova, Altschülerin, Abiturjahrgang 1996

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