10. April
Ein Riad für die Welt – Julia Bartels lebt Gastfreundschaft in Marrakesch
Städtischer Trubel, Rufe des Muezzins, kunstvolle Kacheln und farbenfrohe Stoffe, wohltuende Hammams, bunte Küche mit Duft vom süßen Pfefferminztee und Ras El-Hanout, Basare mit unzähligen Handwerkern und antiken Schätzen, sehr gelassene Menschen mit großem Sinn für Albernheiten – so verzaubernd ist Marrakesch, eine Stadt, in der Julia Bartels sich seit über 20 Jahren zu Hause fühlt und doch immer auch zu Gast ist.
--- --- --- Was macht eigentlich ...?
Getreu unserem Anspruch „Das Wir leben, das Ich finden“ sind alle Altbirklehoferinnen und Altbirklehofer ihren ganz persönlichen, spannenden Weg gegangen. Sie tragen alle zur großartigen Vielfalt der Birklehof-Gemeinschaft bei.
Mit unserer Rubrik „Was macht eigentlich …?“ wollen wir unsere Alumni und ihre spannenden Biografien vorstellen und zeigen, wie der Birklehof sie und ihren Lebensweg geprägt hat. Unser Wunsch ist es, die Menschen rund um den Birklehof näher zusammenzubringen, damit sie sich gegenseitig inspirieren.


Doch alles der Reihe nach, zurück in den Schwarzwald: Julia erinnert sich sehr gerne an ihre Zeit am Birklehof. Sie kam 1985 in die 10. Klasse, auf persönliche Empfehlung eines damaligen Mitglieds des Schulvorstands. Der Birklehof war das einzige Internat, das sie sich angeschaut hatte. Nicht nur die Empfehlungen aus dem Freundeskreis sprachen für die Schule, auch die Nähe zum deutschen Wohnsitz der Familie im benachbarten Bernau – beide Schwestern, Julia und Anna, besuchten den Birklehof.
Am 3. Oktober 1987 berichtete die lokale Presse von einem außergewöhnlichen Ereignis an der Schule Birklehof – dem Besuch der jordanischen Königin Noor al-Hussein, der vierten und letzten Ehefrau des jordanischen Königs Hussein I. Die Drähte für den Besuch hatte der damalige deutsche Botschafter in Jordanien, Herr Herwig Bartels, gezogen. Die Königin wollte sich für ein geplantes Internat in Jordanien inspirieren lassen – was lag da näher als ein Besuch des Birklehofs?
Doch am liebsten erinnert sich Julia an die gemeinsame Zeit mit anderen Schülerinnen und Schülern, sei es beim Tee aus der Kaffeemaschine oder beim Käsefondue aus dem Wasserkocher. Mit unterschiedlichen Menschen umgehen und sich auf verschiedene Persönlichkeiten einstellen zu können, sei das Wichtigste, was Julia auf dem Birklehof gelernt habe. Auch Empathie und kulturelle Sensibilität seien in ihrem heutigen Beruf sehr hilfreich.
Nach ihrem Abitur im Jahr 1989 studierte Julia Jura und promovierte zum marokkanischen Grundstücksrecht. Das Interesse für den Islam, ebenso wie die Verbindung zu Marokko, entstand über ihren Vater. Dieser war in den 90er Jahren Botschafter in Marrakesch, träumte von einem Alterssitz in Medina und kaufte hierfür einen Riad aus dem 15. Jahrhundert, den er über fünf Jahre durch Zukauf weiterer Riads zum heutigen Riad-Hotel „Riyad El Cadi“ erweiterte (https://www.riyadelcadi.com/de/). Das mit orientalischer Kunst eingerichtete Haus diente nicht nur als Hotel, sondern auch als Begegnungsstätte für Kulturliebhaber und Kenner islamischer Kunst. Gäste aus aller Welt kamen hier zusammen, um sich über Textilkunst aus dem Hohen Atlas, Kelims aus Anatolien und die Kunst der Osmanen und des Nahen Ostens auszutauschen.
Julia schaute sich gerade nach einer neuen beruflichen Herausforderung um, als ihr Vater im Jahr 2003 unerwartet starb. Sie entschied sich, zunächst vorübergehend die Leitung des „Riyad El Cadi“ zu übernehmen. Aus dieser „Übergangszeit“ sind inzwischen 22 Jahre erfolgreicher und erfüllender Unternehmens- und Hotelführung geworden.
Riads sind traditionelle Stadthäuser mit einem Patio, einem begrünten Innenhof, als Zentrum. Vier rechteckige, mit Zitrusbäumen bepflanzte Flächen umgeben ein Becken und spenden erfrischenden Schatten und Rückzugsmöglichkeit von den trubeligen Straßen. Dem Garten des Riads liegt das Bild des Paradieses aus dem Koran zugrunde: Aus der Mitte entspringt eine Quelle, aus der sich vier Flüsse – Wasser, Wein, Honig und Milch – in alle Richtungen verteilen. Julias Paradies erstreckt sich über sieben großzügige Patios mit Salons, Alkoven, einem Pool, 17 Gästezimmern und weitläufigen Dachterrassen. Für den außergewöhnlichen Charakter des Riads von Julia sorgen die Exponate aus einer namhaften Sammlung orientalischer und berberischer Kunst, die kunstsinnig jeden Raum individuell schmücken. Bereits im Empfangsbereich trifft man auf frühe Berber-Textilien, wichtige Beispiele marokkanischer Textilkunst und Kultur der marokkanischen Berber. Über alle Räume, Korridore und Treppenhäuser des Riads sind bedeutende Kunstwerke verteilt: frühe anatolische Kelims oder osmanische Stickereien, mittelalterliche Holzarbeiten aus Fes oder klassische chinesische Möbel, moderne Bilder und dörfliche Keramik aus Marokko.
Auch Julia hält stets die Verbindung zwischen ihren beiden Lebensorten – Marrakesch und Berlin – lebendig. In Berlin genießt sie es, ihren Alltag selbst zu gestalten und ihr Privatleben zu pflegen – frei von der ständigen Sichtbarkeit und Verantwortung, die das Gastgebersein in Marrakesch mit sich bringt.
An ihrem fernen Paradies schätzt sie die Verlässlichkeit der Sonne, das unglaublich große Herz der Marokkaner, die Zusammenarbeit mit ihrem tollen Team und den inspirierenden Austausch mit ihren Gästen – ebenso wie den Komfort, im Alltag vom Service ihrer Mitarbeitenden verwöhnt zu werden. Zugleich empfindet sie die Verantwortung, das Riad gut zu führen und dessen gutes Ansehen zu wahren, als eine bereichernde Herausforderung.
Als Gastgeberin verfolgt Julia ein klares Ziel: Ihre Gäste sollen sich fühlen wie bei guten Freunden zu Hause. Sie genießt es, mit jedem einzelnen Gast ein persönliches Gespräch zu führen, und die spannenden Geschichten herauszukitzeln. So käme die Welt zu ihr, sagt Julia. Auch der Birklehof findet immer wieder seinen Weg zu ihr – sei es durch eine zufällige Begegnung mit einem ehemaligen Lehrerehepaar über die Dachterrassen von Marrakesch oder als Gäste in ihrem Riad. Aufmerksamen Lesern dieser Rubrik ist sicher nicht entgangen, dass auch die Empfehlung für Julia und ihr traumhaftes Riad vom Altbirklehofer Hans von Pfuhlstein stammt, über den wir im Februar 2025 berichtet hatten (https://birklehof.de/hans-von-pfuhlstein/). Ein weiterer Gast aus Julias Birklehof-Zeit ist in diesen Tagen die Schauspielerin Meike Rötzer, die im Rahmen ihres Programms „Erzählzeiten in Marrakesch“ auf Dachterrassen und Innenhöfen des Riyad El Cadi die Reiseerzählungen der eigenwilligen Sophie von Kamphövener, Elias Canettis „Stimmen von Marrakesch“ sowie Geschichten aus 1001 Nacht vortragen wird (https://salonfestival.de/event/salonaufreisen_marrakesch/).
Fotos: Michael Bley
Text: Elisabeth Ilg

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