17. Dezember

Der Zauberberg lässt sie nicht los – Die Schauspielerin Meike Rötzer

„Bei Meike stimmen die Form und Inhalt nicht überein“ – diesen ersten Eindruck machte Meike Rötzer, als sie 1989 in die zwölfte Klasse auf den Birklehof kam. Doch die dort verbrachte Zeit und die Menschen hätten sie wieder „zusammengeruckt.“

--- --- --- Was macht eigentlich ...?

Getreu unserem Anspruch „Das Wir leben, das Ich finden“ sind alle Altbirklehoferinnen und Altbirklehofer ihren ganz persönlichen, spannenden Weg gegangen. Sie tragen alle zur großartigen Vielfalt der Birklehof-Gemeinschaft bei.

Mit unserer Rubrik „Was macht eigentlich …?“ wollen wir unsere Alumni und ihre spannenden Biografien vorstellen und zeigen, wie der Birklehof sie und ihren Lebensweg geprägt hat. Unser Wunsch ist es, die Menschen rund um den Birklehof näher zusammenzubringen, damit sie sich gegenseitig inspirieren.

Der Birklehof – Ihr Zauberberg

Wie in Thomas Manns „Zauberberg“, eines ihrer aktuellen Solostücke, konnte sie – „in der straffen Ordnung des geregelten Tags“ – ihre Zeit auf dem Birklehof gestalten: als Gründungsmitglied des Kulturausschusses fuhr Meike einmal die Woche zu selbst ausgewähltem Programm nach Freiburg. Und sie fand „hier oben im Schwarzwald“ Ruhe, um viel zu lesen. „Die Birklehof-Bibliothek schaffte den Grundstein für meine spätere Arbeit, wie auch die so prägende Literatur-AG und Film-AG bei Herrn Dr. Weidauer“, erinnert sie sich. Statt des Grammophons Polyhymnia, das auf dem Sanatorium Berghof in Davos auftaucht, war ihre „Fülle des Wohllauts“ das Birklehof-Orchester, auch wenn ihr Cellospiel im Übungsraum bei Weitem nicht wirklich wohl geklungen hätte.

Faust – in allen Rollen

Auch die zauberbergsche „große Gereiztheit“, die das enge Zusammenleben mit sich bringt, lernte Meike auf dem Birklehof kennen – die „Nein-Schilder“ an den Zimmertüren hätten den Zustand ja schön knapp auf den Punkt gebracht. Doch täglich miteinander umgehen zu müssen und einander nicht ausweichen zu können, sei eine sie fürs Leben prägende Schule darin geworden, Konflikte untereinander zu klären. „Diese Freiheit in der Geborgenheit der Gemeinschaft und des Schulalltags empfinde ich im Rückblick als sehr luxuriös“, sagt Meike heute. Dass in ihrer Abizeitung über sie geschrieben steht „Meike spielt eines Tages alle Rollen im Faust“, lässt sie heute erstaunt auflachen, weil sie heute genau das macht (Meikes Homepage)!

Die Schauspielerin

In den Jahren 1992 bis 1996 absolvierte Meike zunächst ihre Schauspielausbildung an der Otto-Falckenberg-Schule in München. Nach Festengagements am Badischen Staatstheater in Karlsruhe sowie den Städtischen Bühnen in Kiel folgten freie Produktionen an den Berliner Sophiensälen und dem Theaterdiscounter, dem Altonaer Theater in Hamburg sowie zahlreiche TV-Rollen, unter anderem in der Serie „Hinter Gittern“ oder Produktionen wie „Die Heiland“, Soko Leipzig oder „Ich will (k)ein Kind von Dir“.

Die Lektorin

In den Jahren 2008 bis 2022 arbeitete Meike als Lektorin für Belletristik im Verlag Matthes & Seitz Berlin mit den Autoren wie Frank Witzel, Angela Steidel oder Zora del Buono. Sie betreute etliche Übersetzungen und maßgeblich die von Judith Schalansky herausgegebene Reihe Naturkunden, die die im Angelsächsischen verwurzelte Tradition des sogenannten „Nature Writing“ in den deutschsprachigen Raum überführte. Die aufwendig gestalteten Bände über Tierarten wie Krähen, Schweine und Esel seien „ein Statement in einer Buchbranche, die in Zeiten zunehmender Digitalisierung im Umbruch ist“, so die Tageszeitung taz in 2016.

Die Autorin

Nach der Geburt der beiden Kinder kehrte sie neben der Arbeit im Verlag wieder auf die Bühne zurück, mit zahlreichen Lesungen und als Autorin und Sprecherin diverser Radiofeatures und Hörbücher. Seit 2021 produziert sie zudem den Podcast „NATURerKUNDEN“ mit spannenden Folgen wie „Baobabs vermissen“, „Heringe umschwärmen“, „Käfer konsultieren“, „Kakteen streicheln“ oder „Ratten besprechen“. In der aktuellen Folge geht es um die Möwen, die seit jeher die Vögel der Sehnsucht und zugleich Unheilsboten sind – vielleicht tragen sie die Seelen verstorbener Seeleute in sich?

Die Erzählerin

Im Jahr 2022 gründete Meike ihren „Erzählbuchverlag“,  der die Tradition des mündlichen Erzählens aufgreift und Roman- und Theaterstoffe der Weltliteratur in lebendige Geschichten für heute verdichtet. Meike erzählt klassische Romane und Dramen frei und in einer gegenwärtigen Sprache, ohne dabei ihren Entstehungskontext außer Acht zu lassen. Nach dem erfolgreichen Start mit „Penthesilea“ von Heinrich von Kleist, hat Meike bekannte Werke, wie „Die Räuber“ von Friedrich Schiller“, „Zum Leuchtturm“ von Virginia Woolf oder die „Iphigenie“ von Johann Wolfgang von Goethe aufgegriffen. Im Jahr 2023 wurde Meike für den Deutschen Hörbuchpreis in der Kategorie „Beste Interpretin“ nominiert. Das Erzählbuch „Reise zum Mittelpunkt der Erde“ von Jules Verne beschrieb Alexander Košenina in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung als ein Wagnis, „was einerseits ungeheuren Mut beweist, andererseits ein deutliches Talent zur geistigen Durchdringung und anschließenden Verdichtung auf das Wesentliche.“ Meike würden nicht nur die dänischen und isländischen Wendungen ganz leicht von den Lippen gehen, sie würde der ohnehin schon spannenden Handlung zusätzlichen Schwung verleihen, so Alexander Košenina.

Dass die klassischen und vor allem seitenlangen Romane auch in erzählter Kurzform hervorragend funktionieren, zeigt Meike in ihrem aktuellen Erzählsolo „Der Zauberberg“, den sie mit dem Rundfunksymphonieorchester Berlin (Radio-Aufzeichnung) darbot. Die Zusammenarbeit mit dem Orchester wird im März mit Orlando weitergehen.

In der von ihr mitbegründeten Radio Eins-Erzähllounge „Richtig gutes Zeug!“ wird sie weiterhin alle drei Monate im RBB-Sendeturm über den Dächern von Berlin Klassiker lebendig werden lassen.

Auf Tour

Anfang 2025 ist ihr Zauberberg unter anderem in Hannover, Gauting und dem Literaturhaus München live zu sehen (Termine). Vielleicht können wir Meike einmal auch auf Birklehof, ihrem persönlichen Zauberberg, live erleben?

Fotos: Nik Konietzny, Beni Blaser, privat
Text: Elisabeth Ilg

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