23. Februar
„Europe Facing Turbulent Times“
In seinem Tertialsvortrag thematisierte Dr. Jaroslaw Pietras die aktuellen Herausforderungen für die Europäische Union vor dem Hintergrund der historischen Entwicklungen. Drei Schüler:innen moderierten Abend und stellten dem erfahrenen Europapolitiker und Wissenschaftler ihre Fragen. Minoli (Q2) berichtet:
Europa in bewegten Zeiten
Eine Europäische Union nach dem Brexit, der Krieg in der Ukraine, ein spürbarer Rechtsruck in vielen Ländern: Diese und viele andere Entwicklungen in Europa werfen Fragen über die Zukunft der Europäischen Union auf, insbesondere im Hinblick auf die bevorstehenden Europawahlen. Als Schüler:innen einer Schule mit demokratischen Traditionen und Werten sowie einem aktiven Interesse an Politik sind diese Themen in unseren täglichen Gesprächen ebenso präsent wie in der allgemeinen politischen Debatte.
„Europe Facing Turbulent Times“, das Thema dieses Tertialsvortrags, war daher sehr passend. Am 23. Februar hatten wir das große Privileg, Dr. Jaroslaw Pietras als Redner zu diesem Thema an unserer Schule begrüßen zu dürfen. Wie bei jedem Tertialsvortrag haben Schülerinnen die Gelegenheit, als Bindeglied zwischen den Referenten und dem Publikum die Vorträge zu moderieren.
Ein Leben zwischen Politik und Wissenschaft
Zur Vorbereitung setzten wir drei Schüler:innen – Charlotte (Q1), Elias (Q2) und ich – uns am Vorabend mit unserer Gemeinschaftskundelehrerin Julia Ruff zusammen, um die Moderation vorzubereiten. Unser Ziel war es, relevante Fragen zu formulieren und zugleich unseren Mitschüler:innen interessante Denkanstöße zu geben. Nachdem wir uns mit dem Lebenslauf des Referenten beschäftigt hatten, schienen die Themen unserer Fragen unbegrenzt. Dr. Pietras arbeitete in den 1990er Jahren für die polnische Regierung, unter anderem als Leiter des Komitees für Europäische Integration. Anschließend arbeitete er als Generaldirektor im Rat der Europäischen Union. Derzeit ist Dr. Pietras als Gastprofessor am College of Europe in Brügge tätig.
Intensive Vorbereitung
Inspiriert sprachen wir über alles Mögliche – von der Zukunft der NATO bis hin zum wachsenden Phänomen des Populismus, von der Relevanz der Europäischen Union (EU) im globalen Kontext bis zu den Auswirkungen von Fake News und Desinformation. Innerhalb dieses kurzen Austauschs haben wir gegenseitig viel voneinander gelernt, hatten alle sehr viel Spaß am Prozess der Ideenfindung und waren gespannt auf den Vortrag am nächsten Tag. Hier sei noch hinzugefügt, dass unsere intensive Vorbereitung zwar auf Deutsch stattfand, der Vortrag allerdings auf Englisch war und dementsprechend auch unsere Fragen zu übersetzen waren.
Herausfordungen und Perspektivwechsel
In seinem Vortrag sprach Dr. Pietras anhand verschiedener politischer und historischer Karten über die Entwicklung und Herausforderungen der Europäischen Union. Besonders eindrücklich war eine „umgedrehte“ Karte, bei der sich Europa nicht mehr im Zentrum befindet. Diese Karte verdeutlichte, wie tief verwurzelt die Haltung des Eurozentrismus ist, und führte gleichzeitig zu der Einsicht, einen Perspektivwechsel vorzunehmen.
Europa gemeinsam stärker
Ein KI-generiertes Bild einer aus vielen einzelnen Tieren bestehenden Kreatur diente als Metapher, um die Komplexität und Diversität der EU zu verdeutlichen. Auch ging Dr. Pietras mittels verschiedener Grafiken auf den Wert der Zusammenarbeit zwischen den EU-Staaten ein und unterstrich, dass im globalen Kontext die europäischen Staaten gemeinsam stärker sind, als wenn jeder für sich agieren würde.
Keine einfachen Lösungen
Durch seinen kurzweiligen Vortrag und die anschauliche Präsentation machte Dr. Pietras das Thema für uns Schülerinnen sehr zugänglich und wir konnten eine fruchtbare Fragerunde anschließen. Mit Blick auf die in diesem Jahr anstehenden Wahlen zum Europäischen Parlament wollten wir wissen, wie sich der aktuelle Rechtsruck in den Gesellschaften Europas auswirken könnte. Dr. Pietras teilte seine Einschätzung des aktuellen politischen Klimas mit uns. Während er einerseits den Rechtspopulismus als Gefahr ansieht, so sprach andererseits seine Hoffnung aus, dass die von Populisten propagierten und vereinfachenden Lösungsvorschläge schon bald von den Wählern in Europa als nicht ausreichend erkannt werden.
Informiert und interessiert
Die Verbreitung von Fehlinformationen, Fake News und Propaganda wird oft mit dem Aufstieg des Populismus in Zusammenhang gebracht. Wir fragten Dr. Pietras nach seinen Beobachtungen. Er ermutigte uns, gut informiert, interessiert und kritisch gegenüber dem zu bleiben, was wir sehen und hören, insbesondere in den sozialen Medien. Auch aus dem Publikum kamen interessierte Fragen, zum Beispiel über die Idee einer Europäischen Armee, wozu Dr. Pietras seine Einschätzungen teilte.
Kritisch und konstruktiv
Die Tertialsvorträge schaffen am Birklehof einen motivierenden Rahmen, um sich kritisch und konstruktiv mit aktuellen Themen der Politik auseinanderzusetzen. Sie ermöglichen einen Diskurs zu führen, bei dem nicht nur Urteile eingebracht werden, sondern neue Perspektiven ausgetauscht und Wissen aus erster Hand aufgenommen werden, um Meinungen mit Argumenten zu stärken.
Text: Minoli (Q2)
Fotos: Wolfgang Finke