17. Oktober

Mit dem Rad durch Europa in 15 Tagen

Seit anderthalb Jahren unterrichtet Sarah Bosslet am Birklehof die Fächer Mathematik und Biologie. Doch nicht ihre Lehrtätigkeit stand im Mittelpunkt unseres Gesprächs, sondern ihre beeindruckende sportliche Leistung: Sarah Bosslet hat am Transcontinental Race teilgenommen, einem Ultradistanz-Radrennen, und ist mit dem Rad quer durch Europa gefahren. Im Interview erzählt sie von dem außergewöhnlichen Abenteuer, von ihren Eindrücken und Erfahrungen.

---- 🙂 ---- Menschen am Birklehof

Auf die Menschen kommt es an
Die Menschen machen unsere Schule so besonders. Sie leben Gemeinschaft und geben Geborgenheit, bieten Freiheit und Individualität, erwarten Verantwortung für sich selbst und andere. Jede und jeder von ihnen bringt eine eigene Geschichte mit und prägt so unserer Schule. An dieser Stelle werden wir regelmäßig die besonderen Menschen am Birklehof und ihre Geschichten vorstellen.

Felix: Liebe Frau Bosslet, herzlich willkommen. Wie geht es Ihnen jetzt?
Frau Bosslet: Mir geht es relativ gut, das Rennen ist jetzt schon lange her und nun bin ich wieder voll im Alltagsstress.

?: Wie sind Sie überhaupt auf die glorreiche Idee gekommen, einfach zu sagen: Ich nehme jetzt mein Fahrrad und mache eine Fahrradtour durch Europa?
!: An sich habe ich schon häufiger an Radtouren teilgenommen und bin zum Beispiel vor zwei Jahren vom Nordkap nach Oldenburg gefahren, wo ich damals noch gewohnt habe. Das waren auch schon 3.600 Kilometer. Das habe ich damals innerhalb von drei Wochen in den Sommerferien gemacht. Jetzt wollte ich einfach eine neue Herausforderung. Denn als ich am Nordkap angekommen bin, sind dort Leute von der Bikepacking-Tour zurückgekommen. Dann habe ich mir gesagt: OK, ich habe Lust, auch einmal daran teilzunehmen und wollte etwas Herausforderndes. Dieses Jahr habe ich mich dann beim Transcontinental Race  angemeldet und bin quer durch Europa gefahren.

?: Von wo ging es los? Und wo sind Sie denn gelandet?
!: Ich bin in Nordfrankreich gestartet, in Roubaix in der Nähe von Lille. Ziel war es, nach Istanbul zu kommen. Der Start war abends um 20:00 Uhr, ich bin die ganze Nacht durchgefahren und bin insgesamt am ersten Tag 436 Kilometer gefahren.

?: Wie hat es mit den Schmerzen ausgesehen? Hatten Sie Muskelkater?
!: Ich war tatsächlich erstaunt. Abends ging es mir teilweise schon schlecht, da ich ja manchmal 15 Stunden auf dem Fahrrad gesessen habe. Aber mein Körper hat sich super gut erholt, sodass ich am nächsten Tag weiterfahren konnte. Schlussendlich ging es dann auch.

?: Hatten Sie Begegnungen mit Menschen unterwegs?
!: Es gab immer wieder Leute, die von dem Rennen wussten und mich dann am Straßenrand auch angefeuert haben. Am Start war es eher klar, aber sogar in Slowenien im Nationalpark haben mich Leute angefeuert. Da war in Belgien ein Lastwagenfahrer, der hat gehupt und gewunken. Auf dem Balkan war es dann auch cool, da die Autofahrer immer gehupt haben. Zuerst dachte ich: Ok, was wollt ihr? Aber es war tatsächlich als Anfeuerung gedacht, wie ich später herausgefunden habe.

?: Wie sehr hat die Zeit Sie geprägt?
!: Zuerst dachte ich mir, dass mich dieses Rennen doch sehr prägen wird. Ich bin ja mit dem Fahrrad auch wieder zurückgefahren, und da habe ich dann schon gemerkt: Ok, ich bin schon sehr entspannt, so dass mich nichts mehr stressen kann. Ich dachte, ich könnte davon ein bisschen mitnehmen in den Alltag. Doch leider nein: Der Schulalltag hat mich gleich wieder eingeholt. Nichtsdestotrotz habe ich gelernt, dass, wenn der Kopf etwas will, der Körper dann auch mitmacht.  Ich glaube, ich bin viel dankbarer geworden. Ich denke auch noch ziemlich oft an diese Zeit.

?: Haben Sie vor, so etwas noch einmal zu machen?
!: Ja, ab dem 20. Oktober 2024 bin ich wieder unterwegs, dieses Mal nicht allein, sondern mit einem Freund, zwei Wochen durch Mittelamerika. Ich wäre selbst nicht auf die Idee gekommen, allein durch diese Länder zu fahren. Das ist doch etwas anderes als hier in Europa. Aber es wird eher entspannt, da ich diesen Zeitdruck von dem Rennen nicht habe. Auf jeden Fall habe ich auch noch einmal Lust, an so einer Bikepacking-Tour teilzunehmen.

?: Wie viele Kilometer sind Sie denn jeden Tag gefahren?
!: Ich habe 15 Tage gebraucht für 4000 Kilometer, also im Schnitt 270 Kilometer pro Tag.

?: Sie unterrichten nun schon seit anderthalb Jahren die Fächer Mathematik und Biologie am Birklehof. Was finden Sie so besonders hier?
!: Ich kann mir nicht mehr vorstellen, an einer normalen Schule zu unterrichten. Einfach, weil ich dieses Miteinander hier zu schätzen weiß. Man ist näher an den Schülerinnen und Schülern und nicht so distanziert wie in einer normalen Schule. Ich hoffe auch, dass ich den Schülerinnen und Schülern etwas von meinen Erfahrungen mitgeben kann, gerade diese Radtour beispielsweise, so dass ich sie ermutigen kann, über ihre Grenzen zu gehen.

?: Wie sportlich sind denn unsere Birklehofer:innen?
!: Unsere Schule ist schon ziemlich sportlich, vor allem, was unseren Schulsport Hockey angeht. Aber auch sonst, wie der 24-Stunden-Lauf gezeigt hat. Was nicht so funktionieren kann, ist hier Leistungssport zu betreiben. Der ist ziemlich zeitaufwendig. Als ich selbst Leistungssport betrieben habe, hätte ich es nicht auf einem Internat wie dem Birklehof machen können, da man sich hier schon sehr auf den Unterricht konzentrieren muss. Ich würde mir dennoch wünschen, dass der Sport hier am Birklehof noch mehr gefördert wird. Die Schülerschaft ist nämlich sehr motiviert.

?: Sie haben früher Leistungssport betrieben, welchen?
!: Ich war Schwimmerin im Freiwasser und in der Nationalmannschaft. Diese Zeit hat mich ziemlich geprägt. Deshalb suche ich mir auch immer wieder neue Herausforderungen, sonst würde es mir langweilig werden. Ich habe zehnmal in der Woche trainiert, mittwochs und samstags jeweils einmal, an den anderen Tagen immer zweimal. Außer sonntags, da hatten wir frei. Ich musste immer gut strukturiert sein und meine Zeiten einteilen. Ich ging vor der Uni beziehungsweise vor der Schule zum Schwimmen oder eben danach. Die Strecke ist vergleichbar mit einem Marathon, 10 km sind es bei den Olympischen Spielen. Es gibt dann auch 5 km oder 25 km, was dann 5 Stunden dauert. Das wäre dann schon eher ultra!

?: Liebe Frau Bosslet, herzlichen Dank für dieses faszinierende Gespräch.

Die Erfahrungen und Einblicke von Frau Bosslet sind nicht nur inspirierend, sondern zeigen auch, was mit Entschlossenheit und Ausdauer möglich ist. Wir wünschen Sarah Bosslet für ihre zukünftigen Abenteuer alles Gute und freuen uns darauf, mehr von ihren Erlebnissen zu hören. Ihre Leidenschaft für den Sport und ihre Fähigkeit, Schüler zu motivieren, sind eine große Bereicherung für den Birklehof.

Interview: Felix, Q1
Fotos: Wolfgang Finke 

https://de.wikipedia.org/wiki/Transcontinental_Race

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